Hallo Jan, erst einmal vielen Dank dass du dich für unsere kleine Serie „Im Gespräch mit…“ zur Verfügung stellst.
Du bist kein Mitglied im Sklenarbund, stell dich daher doch einmal vor. Wer bist du, was machst du so?
Hallo Marie, vielen Dank für die Einladung. Freut mich wirklich sehr.
Ich bin Jan Biggemann, 38 Jahre, wohne in Königreich, südlich von Hamburg im Alten Land, dem größten zusammenhängenden Obstanbaugebiet Deutschlands.
Hier imkere ich, zwischen über 10 Millionen Obstbäumen, mit ca. 25 Wirtschaftsvölkern auf Deutsch Normal 1.0 und 1.5 in Segeberger Beuten.
Ich betreibe nebenbei einen Instagram Kanal (koenigreicher_bluetenhonig) und zeige dort Einblicke in meine Imkerei.
Im Winter gehe ich noch einer anderen Leidenschaft nach. Ich habe 2020 einen YouTube-Kanal eröffnet, auf dem ich andere (Berufs-) Imker weltweit interviewe und mit ihnen über ihre Imkerei spreche.
Bisher hatten wir viele tolle Gäste aus dem deutschsprachigen Raum, wie z.B. Bernhard Heuvel oder Alban Jennewein. Aber auch Nikolas Pithan aus Norwegen oder Randy Oliver aus den USA waren tolle Gäste.
Man findet den Kanal auf YouTube unter “Interview mit einem Imker”.
„Interview mit einem Imker“ ist ein sehr erfolgreiches Format auf YouTube. Wie bist du auf die Idee dazu gekommen?
Möchtest du die lange oder die kurze Geschichte dazu hören (lacht)?
Ich probier mal nicht zu ausschweifend zu werden.
Die Idee zu diesem Kanal ist entstanden, als ich das zweite Mal das Buch “Interview with Beekeepers” von Steve Donohoe las. Steve hatte das Vergnügen, die Stars der Imkerszene zu besuchen, die Betriebe zu sehen und gleichzeitig alle seine Fragen loszuwerden. Das Buch schrieb Steve, weil er gelangweilt war von der Imkerliteratur die immer wieder bei null anfängt. Ihm fehlte Hilfe für den nächsten Schritt. Beim Lesen des Buches dachte ich mir, dass auch wir in Deutschland eine große Lücke zwischen “Imkerkurs” und “Berufsimkerei” haben. Viele meiner Imkerfreunde sagen “Ich möchte nur maximal drei Völker haben, mehr würde ich zeitlich gar nicht schaffen”. Warum ist das aber so? Geeignete Literatur, die einem wirklich hilft zu verstehen, wie man 30 Völker gut bewirtschaftet, habe ich nicht gefunden. Viele Kollegen, mit denen ich sprach, sagten, sie hätten sich viele Betriebe angeguckt, viel von Kollegen gelernt, waren im Ausland usw.Noch während ich das Buch las, dachte ich selber darüber nach, etwas Ähnliches im deutschsprachigen Raum auf die Beine zu stellen. Ich hatte so viele Fragen im Kopf, so viele Themen, die ich schon immer diskutieren und verstehen wollte. Ich wollte nicht nur theoretisch verstehen, was besser oder schlechter ist, ich wollte wissen, was sich in der Praxis bewährt hat. Zusätzlich kann ich auch etwas Neid auf den Autor nicht leugnen. Die Chance zu haben, Randy Olivier oder Michael Palmer mit Fragen zu löchern… Wow!
Als ich ernsthaft anfing, das Projekt etwas zu strukturieren und zu durchdenken, wurde mir schnell klar: Fulltime Job, Imkerei, zwei kleine Kinder, das wird nicht in sechs Monaten erledigt sein. Der Familienurlaub würde einige Jahre mit Reisen für das Buch verbunden sein müssen. Benzinkosten, Flugtickets, Hotelkosten würden evtl. die Familienkasse etwas belasten und die Möglichkeit, letztendlich mit Plus-Minus Null dabei rausgekommen, ist eher unwahrscheinlich. War mir aber zu dem Zeitpunkt auch egal. Ein Lebenstraum von mir ist es, einmal ein Buch zu veröffentlichen.
All diese Überlegungen hatte ich Anfang 2020 und was dann passierte, brauch ich nicht zu beschreiben. Covid-19 machte dem ganzen einen Strich durch die Rechnung. Ich glaube nicht an Schicksal oder dergleichen, aber ich glaube, Rückschläge lenken einen manchmal auf einen anderen, besseren Weg. Ich könnte ja das Buch komplett online erstellen? Ich könnte ein Interview führen und daraus das Buch zuhause, im Lockdown, am heimischen PC gestalten. Gut, ich muss um Bilder bitten. Ich hätte auch nicht das Vergnügen, die Betriebe zu sehen und spontan Fragen zu stellen. Dem Buch würde etwas Persönliches fehlen.
Ich saß irgendwann auf der Couch und YouTube schlug mir ein Live-Video vom Kanal Jung&Naiv vor. Tilo Jung, Journalist, interviewt dort regelmäßig Politiker und andere Gäste. Hätte Tilo Jung seine Interviews aufgeschrieben und zwei Jahre später als Buch veröffentlicht, hätte jemand das Buch gekauft? Gut, Imkern ist etwas “schwerfälliger” als das aktuelle Politikgeschehen, aber warum eigentlich? Ändern wir nicht auch jedes Jahr unsere Betriebsweise etwas? Optimieren wir nicht auch immerzu unsere Beuten, Werkzeuge oder Schleudertechnik Stück für Stück? Wenn man genauer hinguckt, ist auch die Imkerwelt schnelllebiger als sie wirkt.
Von da an war es nun nicht mehr weit, bis ich die Buchidee verworfen hatte und feststand: Es wird ein Interview-Format auf YouTube.
Ich möchte mit den Interviews die Lücke zwischen Hobby und Nebenerwerb schließen. Ich möchte Imker ermutigen mehr Völker zu halten. Auch wenn ich den Imkerboom begrüße (und ja auch selber ein Teil davon bin), denke ich wir brauche nicht unbedingt mehr Imker mit 1-2 Völkern. Ich möchte, dass diese Kollegen irgendwo hören können wie man von 2 Völker auf 5 und von 5 auf 15 und von 15 auf 35 kommt ohne, dass es in Stress für Imker und Bienen resultiert.
Jetzt ist es doch eher die lange Version der Geschichte geworden (lacht).
Wie ist so eine Folge aufgebaut?
Die Folgen sind grundsätzlich ähnlich aufgebaut, werden aber natürlich an die Interviewpartner angepasst. Experten zum Thema Königinnenzucht, Genetik und Co. wie Markus Gann oder Lutz Eggert löcher ich natürlich über dieses Thema. Mit Hinnerk Völker spreche ich viel über späte Heidetrachten und wie man die Völker vor- und nachbereitet. Und mit Randy Oliver oder Dara Scott spreche ich über Nahrungsergänzung für Bienen. Ein, aus meiner Sicht, unterschätzter Punkt zu gesunden, großen Bienenvölkern.
So hat jede Folge ihren Schwerpunkt, aber Betriebspraxis wie: Welche Kisten, Schleudertechnik, Vertrieb, Varroabehandlung etc. kommt eigentlich immer vor.
Wie wählst du deine GesprächspartnerInnen aus?
Ganz oft sehe ich Imkereien auf Instagram und irgendetwas interessiert mich. Da war z.B. die Imkerei Honigbär. Zwei junge Männer, die ihre Jobs gekündigt haben und sich von fast 0 auf 100 in den Vollerwerb gestürzt haben. Oft lese ich aber auch Bücher oder sehe Vorträge und habe dazu Fragen. Und manchmal bekomme ich auch Empfehlungen. Aber es gibt bei mir einen Grundsatz, der hoffentlich auch zu dem Erfolg des Formates beiträgt: Ich will verstehen, WARUM jemand etwas tut. Es gibt bei mir kein Falsch oder Richtig. Jemand der 200.000€ Kredit bei der Bank hat und vom Honigertrag leben muss, trifft andere Entscheidungen als jemand, der seine Imkerei mit einem Hauptjob querfinanziert. So kann man z.B. Pollen Patties für nutzlos erachten (Infobrief Celle Februar), aber die Berufsimker in Kalifornien werden z.B. bei der Bestäubung nach Bienen besetzten Waben bezahlt. Diese Kollegen geben zehntausende Dollar für Pollenteig aus, weil es durch die höhere Brutmenge im Januar/ Februar eine deutlich höhere Bestäubungsprämie gibt (Video Randy Oliver). Ich behandle alle Gäste höflich und gebe ihnen die Chance, ihre Sicht der Dinge zu erklären. Hinterher kann jeder gerne das für sich mitnehmen, was ihn überzeugt hat, aber z.B. eine Streit zwischen Buckfast und Carnica oder Holz und Styropor usw wird es bei mir nicht geben.
Welches Interview hat dich am meisten beeindruckt, wo hast du persönlich am meisten mitgenommen?
Das ist eine sehr gute Frage. Ich hab mir vorgenommen, aus jedem Interview etwas mitzunehmen und auch auszuprobieren. Und so lerne ich auch jedes Jahr wieder dazu und sehe, was für mich gut funktioniert und was nicht.
Ich habe z.B. nach dem Interview mit Bernhard Heuvel probiert, eine für mich passende Alternative zur TBE zu finden und bin derzeit mit Königinnen käfigen sehr glücklich. Ich habe Kunstoffmittelwände probiert, nachdem mir Alban Jennewein dazu geraten hat – Funktioniert, aber ich bin damit nicht glücklich geworden.
Und so geht es weiter: Überwinterungstricks von Nicolas Pithan und Marketingtipps von Sabrina Lamm oder Eddie Obika. Es gibt so viele Tipps in den Folgen, da ist für jeden was dabei.
Jetzt noch ein paar Fragen zu dir! Magst du uns etwas über deine Imkerei berichten? Mit welcher Biene arbeitest du, welche Betriebsweise nutzt du?
Ja, na klar. Also, ich habe den “klassischen Weg” genommen. 2 Völker Landrasse Carnica gekauft, dann im nächsten Jahr 4 oder 5, ein Jahr später 10 usw.
Ich arbeite konsequent das ganze Jahr mit einem Brutraum in Deutsch Normal 1.0 oder 1.5. Wenn man neben dem Hauptjob eine größere Anzahl an Völkern betreuen möchte, habe ich gelernt, man muss unnötige Arbeiten einfach eliminieren. Gleichzeitig mache ich mir aber wieder Arbeit, indem ich meine Völker mit Nahrungszusätzen wie Pollenteig oder anderen kommerziellen Mitteln versorge. So gleicht sich das wieder aus (lacht).
Unsere Saison startet meist in den ersten Apriltagen mit der Kirschblüte. Dort brauche ich Völker, die a) stark genug für die Bestäubung sind (wir bekommen ca. 60 EUR pro Volk für vier Wochen) und b) stark genug, um unsere Haupttracht (Altländer Obstblüte) einzubringen. Wir benutzen daher Styroporzargen und halten die Völker auf einem Brutraum, was die Frühjahrsentwicklung um ca. einen, aber sehr entscheidenden, Brutsatz nach vorne bringt.
Ich muss keine 25 Zargen aus “dem unteren Brutraum” einschmelzen und auch nichts umsortieren. Die Völker werden im Frühjahr auf Gesundheit, Futter und Weiselrichtigkeit kontrolliert, bekommen ein Absperrgitter und einen Honigraum, der sofort angenommen wird.
Danach folgen eine kurze Trachtpause und noch eine Sommer/Lindentracht.
Ende Juli werden bei mir alle Königinnen gekäfigt und ich mache mit der Familie erstmal Urlaub.
Wenn ich wieder da bin, setze ich die Bienenfluchten und hole nach 24 Stunden die Honigräume. Die nun brutlosen Völker werden, bei der Gelegenheit, direkt mit Futter versorgt, einmalig mit Oxalsäure behandelt und die Königinnen entweder umgeweiselt oder wieder freigelassen. Diese Methode der Varroabehandlung gefällt mir sehr gut, da ich mehrere Dinge in einem planbaren Arbeitsschritt zusammenfassen kann. Aber es gibt auch Nachteile. So muss ich z.B. kontrollieren, dass alle Königinnen wieder in Eilage gehen und nicht umgeweiselt werden. Für diesen Fall sollte man noch 1-2 Reserveköniginnen behalten.
Danach geht der Honig ins Glas und wird hier lokal vermarktet.
Um deine Frage nach “der Biene” zu beantworten: Ich bin da völlig leidenschaftslos was die Rasse, Ursprung oder Farbe angeht. Für mich muss eine Biene zu meiner Imkerei passen.
In der Englischen Sprache gibt es das schöne Wort: “Trade off“, welches im Deutschen so viel wie “Abwägen” heißt. “Trade” heißt aber auch “Handel” und “Trade off” beschreibt im Allgemeinen eine gegenläufige Abhängigkeit: Wird das eine besser, wird zugleich das andere schlechter. Man handelt quasi etwas Positives aus in der Gewissheit, dass dies auch negative Folgen haben wird.
Eine Bienenkönigin kann nicht 3000 Eier am Tage legen und gleichzeitig fünf Jahren alt werden. Ein Volk kann nicht sanft und wabensteht sein und gleichzeitig ihre Beute auf drei Meter Abstand verteidigen. Frühes, starkes Brüten führt zu vermehrter Varroareproduktion. Du verstehst, worauf ich hinaus will.
Ich habe die ersten Jahre mit Zuchtstoff aus dem Institut Celle gearbeitet. Das war soweit für mich OK, aber Schwarmkontrolle war absolute Pflicht. Auch ein Arbeiten ohne Schleier war quasi unmöglich. Letztes Jahr hat mir ein Freund eine Buckfastköninig seiner Linie geschickt und mich um die Beurteilung der standbegatteten Töchter gebeten. Ich hab daraufhin einige Völker mit diesen Töchtern umgeweiselt und hatte 2022 das entspannteste und erfolgreichste Jahr meiner Imkerkarriere. Kaum Schwarmlust, guter Honigertrag und ein fast schleierloses Arbeiten ohne Smoker. Das sind die drei Eigenschaften, die ich brauche, unabhängig von Rasse, Ursprung oder Farbe.
Hattet du schon Berührungspunkte mit der Sklenar?
Leider gar nicht. Ich habe schon einige Male versucht, jemanden der Top Carnicazüchter vor die Kamera zu kriegen, leider bisher erfolglos.
Vielen Dank für deine Zeit!
Sehr gern! Vielen Dank für das nette Gespräch.
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